Place to be

 

Katalog zur Ausstellung: 978-3-948021-11-5

Zur Malerei von Ursula Krenzler – Place to be

Text von Dr. Jenny Graf-Bicher

 

Place to be – unter diesem Titel fasst Ursula Krenzler eine Reihe von Raumbildern zusammen, die ein Herzstück ihrer Malerei bilden, eine Reihe, die seit Jahren beständig weiter wächst. Place to be: Handelt es sich hier um den „richtigen“, den „perfekten“, den „angesagten Ort“? Beim Blick auf das großformatige Bild „Silvester“ können Zweifel aufkommen. Ein hell ausgeleuchtetes Zimmer, eine Frau schaut nachdenklich in den schwarzen Nachthimmel. Im dominierenden Rot-Schwarz-Klang des Bildes wirkt der Körper zart und fast verloren. Der Bildtitel macht deutlich, dass hier Fragen verhandelt werden wie: Wodurch wird ein Ort zu einem, an dem man sich niederlassen kann, an dem man bleiben möchte, wann ist ein Ort mit Leib und Seele bewohnbar, leb-bar? Einer so offenen Frage entspricht der englische Ausdruck in besonderer Weise. ‚Place‘ ist nicht nur der konkrete Platz, sondern auch die engere oder weitere räumliche Umgebung, die gestaltete Hülle, manchmal auch das Heim, die eigenen vier Wände. In Verbindung mit ‚to be‘ kann es der Ort zum Leben sein, mit seiner ganzen existentiellen Dringlichkeit. In diesem weitgefassten Sinn ist „Place to be“ hier zu verstehen. Und kaum ins Deutsche zu übertragen. Ursula Krenzler arbeitet nur selten so gegenständlich und erzählerisch wie in dem gerade betrachteten Werk. In den meisten Gemälden ist vor allem die Farbe bildbeherrschend. Starke, leuchtende Farben geben jeder Bildfläche eine klare Struktur. Vertikale, horizontale und diagonale Flächen und Linien fügen sich zu satten Farbklängen, die eine spezifische Atmosphäre schaffen, je nach der vorherrschenden Farbtemperatur. Die Wärme der Rot- und Orange-Töne in „Rotes Zimmer“, die blaue und blaugrüne Kühle im Bild „Verlassenes Zimmer“, der lodernde Kontrast von Orange und Schwarz-Blau im „Partykeller“.

Neben den Farben und ihren Kontrasten sind es vor allem zwei weitere Spannungsmomente, die das Charakteristische – und Genüssliche – von Ursula Krenzlers Bildern ausmachen: Zum einen gibt es da den vielschichtigen, sehr differenzierten Farbauftrag, der der Bildkomposition eine pulsierende Lebendigkeit verleiht. Im Nebeneinander von eher satten Farbfeldern und gemusterten, ornamentierten oder aufgerissenen Passagen entsteht ein vibrierendes Leuchten in der von weitem so klaren Flächengliederung. Bildbeherrschend wirkt die so erzeugte Spannung etwa in „White Room“. Zum anderen verbirgt sich in der schwelgerischen Farbmalerei, die man rein abstrakt aufnehmen kann, immer auch eine räumlich und gegenständlich lesbare Welt. Allerdings geht das eine nicht im anderen auf. Trotz vereinzelter klarer Hinweise wie dem Treppchen in „Schwimmbad“, der Tapete und dem Tischchen im „Japanischen Zimmer“ , trotz Fenstern, Jalousien, Türen und tiefenräumlichen Perspektiven übernimmt immer wieder die malerische Überformung die Regie und führt zu nahezu magischen „ungeklärten Resten“. Vor dem titelgebenden Bild „Place to be“ ist der Reiz dieser Reibung zwischen abstrakter und gegenständlicher Lesart besonders deutlich zu erfahren. Gerade in den menschenleeren, verlassenen oder auf Menschen wartenden Innenräumen klingt die Frage an, wo und wie wir leben. Ursula Krenzler beantwortet die Frage mit ästhetischen Mitteln, das heißt mit entschiedener Offenheit.